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Bürgerrecht und Gerichtsbarkeit

Das Weilburger Bürgerrecht wurde erstmals 1295 bei der Verleihung der Stadtrechte durch König Adolf festgelegt und nochmals 1685 durch den Freiheitsbrief von Graf Johann Ernst „renoviert“. Ansonsten regelten und reglementierten Polizeiverordnungen (1664, 1690 und 1748) das Leben der Einwohner.

 

Als nach Verleihung der Stadtrechte 1295 der Rat als städtische Verwaltungsbehörde eingerichtet wurde, übernahm das Schöffenkollegium, das die Gerichtsbarkeit in der Herrschaft Weilburg bisher ausgeübt hatte, auch die Tätigkeit des Rats. Es ist anzunehmen, dass die spätere Zahl von 12 Mitgliedern auch bereits im Mittelalter vorhanden war (10 städtische und 2 ländliche Schöffen). Nur die städtischen übten unter dem Vorsitz des vom Grafen bestimmten Schultheißen die Stadtverwaltung aus. Das Ratsund Schöffenkollegium ergänzte sich selbst beim Todesfall eines seiner Mitglieder. Nach dem Weilburger Schöffenbuch wurde das neue Mitglied in Gegenwart von Schultheiß und Rat gewählt, dann der Regierung (auf der Kanzlei) vorgestellt und schließlich wieder auf dem Rathaus vereidigt. Diese Männer waren also Ratsherren und Gerichtsschöffen in einer Person.

 

Diese Verquickung hatte zur Folge, dass nicht nur Verfahren niederer Gerichtsbarkeit verhandelt wurden, sondern im Einvernehmen mit dem Landesherren auch Prozesse höherer Gerichtsbarkeit wie Ketzerei, Mord und Ehebruch; Verfahren, die auch die Todesstrafe (peinliches Halsgericht) oder zumindest harte Bestrafungen (Folter, Verstümmelungen, Kerker) nach sich zogen.

 

Fesseln

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Höchste Instanz für zivilrechtliche Angelegenheiten war ab 1495 das von Maximilian I. eingesetzte Reichskammergericht in Frankfurt, ab 1695 in Wetzlar. Es bestand bis 1806.


Gerichtsverhandlungen fanden in der Regel öffentlich und bis zum 14.Jahrhundert im Freien statt.

 

In Weilburg wurden die Sitzungen des peinlichen Halsgerichtes „uff dem freyen Marktplatz vor dem Rathaus“ abgehalten. Der herrschaftliche Stadt- und Landschultheiß, der als dem „Praeses“ dem „Blutgericht“ vorstand, war verpflichtet, die „Peinliche Halsgerichtsordnung Karls V.“ aus dem Jahr 1532 einzuhalten. Diese „Constitutio criminalis Carolina V.“ zeichnete sich durch unmenschliche und grausame Strafen aus und kam in Nassau-Weilburg bis ins 18.Jahrhundert zur Anwendung.

 

Um die Rechte (und auch Pflichten) eines Bürgers der Stadt Weilburg zu erhalten, musste ein Bürgeraufnahmeantrag an das Stadtgericht gestellt werden. Die Aufnahme wurde protokolliert.

 

„Weilburger Stadtbürger-Protocoll“

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Das „Weilburger Stadtbürger-Protocoll“ von 1673 überliefert nicht nur Daten der aufgenommenen Bürger, sondern auch anhand von zwei Fassungen des Bürgereids die Einstellung des jeweiligen Regenten zu seinen Untertanen.

 

Bürgereid unter Graf Friedrich von Nassau-Weilburg (1656-1675): “Ich NN gelob undt schwöre zu Gott und dem heiligen Evangelium, daß ich soll und vill, indem ich mich anietzo vor Einem Bürger dieser hochgräflichen Residenzstadt Weilburg freywillig angegeben habe, zuforderst dem hochgeborenen Grafen und Herrn, Herrn Friedrichen Graf zu Nassau-Weilburg, wie auch Schuldheiß, Bürgermeister, Rath und deren Bedienten, treu und gehorsahm seye, Hochgedachte meine Gnädigste Herrschaft undt die Stadt vor allem Schaden warnen, undt übrigens alß einem frommen und aufrichtigen Bürger eignet, undt gebühret, mich verhalten. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium.“

 

Ein Fremder musste Geburtsschein, Gesellen- bzw. Meisterbrief vorlegen, seine Freizügigkeit nachweisen (d.h. frei von Leibeigenschaft sein), Einzugsgeld bezahlen, zwei tüchtige, aus starkem Pfundleder hergestellte und mit seinem Namen marquirten Feuereimer“ anschaffen (einer war auf dem Rathaus abzuliefern), ein „tüchtiges Gewehr“ mit Bajonett und Munition anschaffen, ab 1748 ein Kapital von 300 Gulden nachweisen, den Bürgereid schwören und das Einschreibegeld zahlen.


Weilburger Bürgersöhne waren verpflichtet, die Ausübung eines „ehrlichen Gewerbes“ nachzuweisen, einen Feuereimer anzuschaffen, ein einfaches Handgelöbnis zu sprechen und die Einschreibegebühr zu entrichten.

 

Weilburger Hexenprozesse

 

In der Zeit der Vormundschaft des Grafen Johann von Nassau-Saarbrücken-Idstein über Graf Friedrich von Nassau-Weilburg war von Oktober 1658 bis März 1660 in 31 Fällen (23 Frauen und 8 Männer) ...

 

„... das peinlich hohe Haltzgericht durch Christian Maurer dieser Zeith Schultheißen allhie zue Weylburgh nach Kayser Carols des fünften undt des heylig Römischen Reichs peinlicher Halsgerichts Ordnung wohl geheeget worden“. Die Anklage lautete bei allen auf „ahngebrachte Hechse- und Zauberey=sach“.

 

Im Historischen Archiv der Stadt Weilburg sind die Protokolle der Verhandlungen überliefert. Der Ankläger war immer ein Nassau-Saarbrückischer Fiscalis, der namentlich nicht genannt wurde. Die 12 Schöffen sind jeweils am Ende des Protokolls aufgeführt.


Die einzelnen Anklagepunkte gemäß der Anleitung des Hexenhammers hatten die Beschuldigten zu bejahen, ansonsten drohten ihm „fleißiges Examinieren“ oder „entschiedene Befragung nach der Rechtsordnung“ – im Klartext: Folter.

Peinliches Halsgericht

 

Einem zum Tode Verurteilten warf der Schultheiß nach der Urteilsverkündung den „Stecken vor die Füß“. Dann übergab er den „armen Sünder“ dem Scharfrichter, damit ihn dieser „unter demLaut“ der Blutglocke den „frommen zum Schutz, den bösen aber einem abscheulichen Exempel“ „mit dem Schwerdte vom Leben zum Tode richte“.

 

Im Mittelalter galten Henker bzw. Scharfrichter als ‚unrein' und ‚unehrlich' und genossen damit das gleiche Ansehen wie Gaukler, Juden und andersgläubige Fremde, aber auch wie Hebammen, Bader, Müller, Schäfer, Leinweber und Töpfer. Diese Menschen wurden im täglichen Leben geächtet und diffamiert. Sie durften kein städtisches Amt ausüben, keinen Grund erwerben und wurden nicht in die Zünfte aufgenommen. Ferner waren sie nur beschränkt geschäftsfähig. Der Henker durfte ein Wirtshaus nur betreten,wenn keiner der Anwesenden etwas dagegen hatte.

 

Beil

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In der Kirche war sein Platz ganz hinten, weit ab von den anderen. Häufig verweigerte ihm der Priester die Kommunion.

 

Johann Ernst

 

Johann Ernst

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Johann Ernst (beschreibung)

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Der für die Stadt so bedeutende Graf Johann Ernst verlieh der Weilburger Bügerschaft neue Privilegien und Rechte, u.a.:

  • freier Ein- und Auszug
  • Verfahren zur Bürgeraufnahme
  • Regelung der Einnahmen aus Handel, Zöllen, Steuern und Gerichtsbarkeit
  • Handelsrechte
  • Fischereirechte

 

Freiheitsbrief>> vollständiges Bild <<

Freiheitsbrief 2

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DER FREIHEITSBRIEF VON GRAF JOHANN ERNST
vom 7.April 1685
Auszug aus insgesamt 12 Artikeln

 

„Wir Johann Ernst Graff zu Nassau und Sarwerden, Herr zu Lahr, Wißbaden und Ittstein etc. bekennen offentlich für Uns und unsere Erben und sämbtliche Nachkommende undt thun kundt hiermit jeder männiglichen: ... daß durch gnädige renovatur solcher ihrer in originali verkommenen alten privilegien sowohl unß und unßern Erben und Nachfahren als ihr derer Weilburger selbst eigener Nutzen und aufkommen geprüfet, das gemeine Stattwesen gebessert und viel fruchtsahmes gestiftet werde, betrachtet und darauf ihrem suchen stattzugeben bey uns gnädig beschloßen; als thun auch mehrbesagten unsern sämbtlichen, sowohl künftigen als jetzigen Bürgern und Einwohnern zu Weilburg Wir in Kraft dieses Briefs diese sonderbahre privilegia und immunitäten hiermit erblich ohnwiederruflich und immerwärendt vor uns und unsere Nachkommene und Erben dergestalten und also gnädig erneuern verwilligen und ertheilen:


1. Erstlichen, daß unsere Statt und Burgerschaft zu Weilburg der freye Einund außzug verbleiben solle, jedoch dergestalten, wann ein frembder Einzügiger, so sich häußlich nieder zu lassen oder sein gewerb und handirung darinnen zu suchen gewilliget, er der Bürgerschaft 6 fl. Per 27 alb. Eine frembde Weibßpersohn aber nur die helft mit 3 fl. Einzugsgeldt abtragen und ...“

 

Carl August

 

Carl August (beschreibung)

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Carl August beschnitt die bereits bestehenden Rechte seiner Untertanen. Durch eine starke zentralistische Verwaltung im Sinne eines starren Absolutismus wurde Weilburg unter seiner Herrschaft in seiner Entwicklung zurückgeworfen. Der Fürst wird von dem Lokalhistoriker J.Mankel entsprechend charakterisiert:

 

„Karl August gehört zu den weniger sympathischen Erscheinungen des Weilburger Fürstenhauses. Er war eine kalt berechnende und unbeugsame Soldatennatur, die auch da ihren Willen durchzusetzen suchte, wo sie sich im Unrecht befand. - Skrupellos verfuhr er mit den Bürgern seiner Residenzstadt. - Dass die Bürger schließlich noch den Mut hatten den Schutz des Reichskammergerichts gegen seine Unterdrückungen anzurufen, galt in seinen Augen als eine Todsünde.”

 

Maske

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... Und es erfolgte unangemessen harte Bestrafung und Schikane bei den geringsten Vergehen; die Schafe durften nur noch vor der Stadt getränkt werden; Salz mussten die Bürger teuer aus dem herrschaftlichen Salzmagazin beziehen. Schlimm traf es die Bürger, als der Fürst ihrer bereits hochverschuldeten Stadt noch die Kosten für die Uniformierung der Grenadierkompanie auferlegte.

 

Bürgerrecht

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„Ich NN gelobe und schwöre einen leiblichen Eid zu Gott dem Allmächtigen, dass da ich mich vor einem Bürger dieser hochfürstlichen Residenzstadt Weiburg freywillig angegeben zuvorderst, dem durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Carl Fürsten zu Nassau unterthänigst treu, sodann dero nachgesetzter Landesregierung, wie auch Stadtschultheiß, Bürgermeister, Rat und deren Bedienten, gehorsam seye, Ihro Hochfürstliche Durchlaucht sowohl als hiesige Obrigkeit und sämtliche Bürgerschaft treulich warnen, und dero bestes, so viel an Mir ist, befordern helfen wolle. So wahr mir Gott helfe!“

 

Alle diese Extra-Dienste und Lasten bedrückten die Bürger enorm und hinderten sie bei der Ausübung ihres normalen Broterwerbs. Die Unzufriedenheit wurde noch durch die offensichtliche Korruption des Stadtrates geschürt, denn es gab immer genug Reiche, die sich von den unangenehmen Pflichten freikaufen konnten.

 

Gefängnisse

 

Gefangene konnte man sich eigentlich nicht leisten, denn sie waren in der „Unterhaltung“ zu teuer. Wenn der Straffällige nicht hingerichtet, mit Leibesstrafen gezüchtigt oder mit Geldstrafen belegt wurde, sondern inhaftiert werden musste, sperrte man ihn in einen Turm oder ein Tor der alten und desolaten Stadtbefestigung.


Zuchthaus>> größere Ansicht <<

 

1763-65 ließ Fürst Carl Christian nach Plänen des Baumeisters und Gartenarchitekten Johann Friedrich Sckell ein Zucht- und Arbeitshaus errichten.

 

Das Zuchthaus stand in der Vorstadt neben dem 1759 neugebauten Landtor. Es war geplant für max. 25 Gefangene, hatte jedoch 1810 bei seiner Auflösung 20 Männer und 15 Frauen als Insassen. Außer den Strafgefangenen verschwanden zeitweise auch „Gemüthskranke“, Waisen und Pflegebedürftige hinter den Mauern des Zuchthauses. Harte Gefangenenarbeit gewährleistete die Finanzierung der Anstalt, u.a. in der hauseigenen Wollund Flachsspinnerei und der Lahnmarmor-Schleiferei.

 

Nach 1810 diente das Zuchthaus vorübergehend als Kaserne, ging danach in den Besitz der Katholischen Kirche über und wurde 1822 zu einem Gotteshaus umgebaut.

 

In Unterlagen aus dem Jahr 1849 wird ein Gebäude neben dem Landtor beschrieben, das direkt an die Schlossmauer angrenzte. Es bestand aus zwei Zellen, einem Vorraum, dem Abtritt, der Dunggrube und einem abgeschlossenen Hof.


Dieses „Bürgerliche Gefängnis“ oder „Civilgefängnis“ diente bis 1856 als eine Art Untersuchungsgefängnis und musste 1862 abgerissen werden.

 

Gefängnis

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In der Nähe des Landtoresentstand am Mühlberg wieder ein neues Gefängnis, das diesem Zweck bis zum Ende des Ersten Weltkriegs diente. Danach wurde das Gebäude zur Dienstwohnung des Direktors des Gymnasiums.